29. Juni 2019
Interview

Sin Davis, broken Poster-Boy der deutschen Trap-Szene, im Interview

Der Braunschweiger veröffentlicht mit „Kush Haze & Heartbreaks“ seine neue Compilation

Sin Davis: Er vergöttert seine Niedergänge genauso wie er sie auch verteufelt. Foto: Checkmate

Wenn schon nach den Sternen greifen, dann solche die am hellsten leuchten. Und am grellsten. Sin Davis, Braunschweiger Trap-Artist, wird immer besser. Bester Beweis: Seine neue Compilation „Kush Haze & Heartbreaks“ (Checkmate). 17 Songs über die Ups and Downs im Leben eines jungen Typen der seinen ganz eigenen Rap-Weg beschreitet. Sin (sein Name ist Programm) präsentiert darauf das ganz große Gefühls-Breitwand-Panorama. Zudem zitiert er das exzentrische musikalische Rap-Genie Kanye West (im Albumtitel), aber auch damaged Grunge-God Kurt Cobain (im Song „Cobain“). Den unvergessenen, längst verglühten Stern. Mit „Universe“ feat. Yung Vision hat Sin Davis außerdem einen kompakten Drei-Minuten-Sommer-Hit erschaffen. Ein Song aus einer anderen Pop-Galaxie. In einem gerechten Chart-Universum wäre das Ding Top Ten. Mindestens. Davis besitzt Star-Potenzial. Alles andere ist nur eine Frage der Zeit. Szene38 sprach mit dem Braunschweiger.

Sin, „Kush Haze & Heartbreaks“ ist dein neues Album programmatisch betitelt. Was ist der rote Faden der sich durchzieht?

Es hat es keinen roten Faden gegeben. Die Tracks sind im Laufe eines Jahres entstanden und wurden im Vibe kreiert. „Kush Haze & Heartbreaks“ handelt schlichtweg über mein Leben und meine Ups and Downs. Niedergänge und auch bessere Zeiten. So wie das Leben halt ist. Ich persönlich würde es auch mehr als Tape und nicht Album bezeichnen, weil es eine Compilation von Tracks ist. Hat mich am Ende selbst gewundert wie rund das Ding geworden ist.

Weiche und härtere Drogen, deine Gang, Frauen, Feiern und erfolgreich sein sind wiederkehrende Themen, die du reflektierst? Was ist dir noch wichtig zu vermitteln?

Alles was du hier grad aufgezählt hast befindet sich sehr präsent in meinem jetzigen Lebensstil. Vermitteln will ich, wenn man mich so fragt, eigentlich eher nichts. Es ist halt immer ein Momentum was ich festhalte und aufnehme. Es fühlen. Den Vibe catchen. Thats it.

Melancholischer Trap-Herzensbrecher: Poster von Sin Davis müssten eigentlich in tausenden Teenie-Mädchen-Zimmern hängen. Foto: Checkmate

„808s & Heartbreak“ von Kanye West gilt als Meilenstein des Hip-Hop. Sein Autotune-Herzschmerz-Rap war ein Bruch mit seinem eigenen bisherigen Stil  – und wegweisend für die Zukunft. Hat dich das Werk, diese melancholische, kalte Klanglandschaft inspiriert? Wie findest du Kanye West als Künstler?

Erstmal Props dafür, dass du so gute Research betrieben habt, um diesen Einfluss rauszufiltern. Crazy. Kanye selbst habe ich früher mehr gefeiert. Habe früher in der Schule öfters Referate über in gehalten. Mein favorite Album von ihm ist „Graduation“. Damit bin ich früher mit dem Bus zur Schule gefahren (lacht). Im Großen und Ganzen eine heftiger Künstler. Und genauso eine Influence wie Kid Cudi den ich mit Kanye gleichstelle. Wobei Ye da noch von der Persönlichkeit etwas eigener ist.

Dieser neue Sound, die harte Abkehr von Samples, entsprang bei Kanye West einer tiefen persönlichen Krise. Inwieweit hilft es verletzt zu sein, um große Kunst zu machen? Wie ist es bei dir?

Ich vergöttere meine Niedergänge genauso wie ich sie auch verteufele. Im Endeffekt gehören Ups and Downs im Leben dazu. Damit man merkt das man noch lebt. Ab dem Moment wo du gar nichts mehr fühlst und dir alles gleichgültig ist, hast du verloren. Fahre da eher so meinen eigenen Film der nicht gerade durchschaubar ist. Aber im Endeffekt lebe ich von meinen Emotionen und Gefühlen und verpacke diese auch in meine Musik. Ich denke so geht es vielen Künstlern.

Hip-Hop-Songs über tragische Liebe gehören zum Genre dazu. Juice WRLD, xxxTentacion und Drake haben starke Songs zum Thema gemacht. Mit „Universe“ hast du selbst einen echten Hit geschaffen. Wie lautet deine persönliche Hip-Hop-Herzschmerz-Top 5?

Danke erstmal für das Kompliment Bro. Also `ne Hip-Hop-Herzschmerz-Top 5 hab ich gar nicht (lacht). Ist ja auch eher nicht so, dass mir jeden Monat mein Herz gebrochen wird. Und ich schon dadurch weiß, was ich dann hören muss (lacht). Würde jetzt Lil Peep sagen, aber das ist ja kein Hip-Hop mehr. Oder die neuen Sachen von Yung Lean sind auch hart emotional.

In „Universe“ geht es ums Abheben und Wegfliegen. Cruising in ’nem Raumschiff. Was sind deine Lieblings-Science-Fiction-Filme und warum?

Ich selber mag überhaupt keine Science-Fiction-Filme oder dergleichen. Steh eher so auf realistischere Szenarien.

Welche Rolle spielen die Videos für deine Songs? Wie wichtig ist dir das Visuelle?

Im Endeffekt geht es nur um die Musik. Was dann visuell noch dazukommt hat eher den Grund einzelne Tracks mehr zu pushen oder einen Zusatznutzen zu kreieren. Habe schon immer Bock auf Musikvideos, aber an sich denke ich, dass da noch sehr viel mehr geht. Ich habe persönlich visuell noch ganz andere Pläne, um mich und meine Kunst vor der Kamera zu entfalten.

Bist du der gefühlvolle, aber innerlich kaputte romantic Poster-Boy der deutschen Trap-Szene? Wie viel davon ist Wahrheit, Fiktion und Koketterie?

(lacht). Könnte man auf jeden Fall so nennen. Die Leute brauchen ja ‘ne Schublade.

Was macht dich glücklich, was traurig?

Traurig, wenn es kein Weed mehr gibt. Glücklich, wenn‘s Mama gut geht.

„Sterbe Jung nenn mich Cobain. Hör dich mal um ja sie kennen meinen Name ya. Zuviel Drugs im meim Brain. Fick auf die Norm …“, singst du auf „Cobain“. Was fasziniert am Thema „Lebe schnell, sterbe jung“, dass du auch in deinem Song „OD“ aufgreifst?

In der heutigen Zeit leben wir alle schnell. Manchmal zu schnell . Öfter stelle ich mir die Frage, ob das alles so gesund ist, was ich mache. Und inwiefern ich damit noch durchkomme, auch gesundheitlich. Es ist halt echt ein Gedankengang, der mich sehr oft einholt und mich beschäftigt.

Als Klub 27 werden Musiker bezeichnet, die im Alter von 27 Jahren starben. Kurt Cobain, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, Brian Jones und Amy Winehouse gehören dazu. Welche Künstler magst du davon und warum?

Kurt auf jeden Fall. Eine sehr große Influence mit Nirvana. „Nevermind“ ist eines der heftigsten Alben, die es für mich gibt, was jetzt nicht „Trap“ ist. Sonst Fredo Santana (RIP). Rest easy.

Nach welchen Kriterien hast du dir deine Feature-Partner für die Songs ausgesucht?

Das sind alles Homies von mir. Kriterium war also der Sympathie-Grad. Ist halt vieles zusammen im Studio entstanden mit den Leuten die auf KHH sind. Brown-Eyes White Boy war auch drauf. Den kannte ich nicht persönlich, aber er ist Hella talentiert und schon sehr lange auf seinem Film. Deswegen war das auch eine Ehre ihn drauf zu haben.

Du hast dich auch wieder tätowieren lassen. Welche Motive zieren deinen Körper? Was bedeuten dir deine Tattoos?

Ich lass mich ständig inken. Das gehört für mich dazu. Habe zu viel Tattoos, das ich jedes einzelne Motiv jetzt erklären kann. Im Endeffekt spiegelt es Momente in meinem Leben wider. Oder ich mag das Motiv einfach. Oder ich will Schmerzen spüren und klatsch mir halt auf spontan was auf die Haut. Ist halt ein so called „Fetisch“ von mir (lacht).

Du bist ziemlich produktiv, hast allein 17 Songs für „Kush Haze & Heartbreaks“ aufgenommen. Woher kommt dieser Antrieb immer neue Songs zu erschaffen?

Ich will etwas in der deutschen Rapscene verändern. Ich finde es geht viel zu engstirnig hier in Deutschland zu. Viele Leute verstehen nicht, was es bedeutet neue frische Sachen zu machen. Damals als Yung Hurn mit „Nein“ um die Ecke kam, habe ich es ends gefeiert. Alle Leute haben sich einen abgehatet. Heute lutschen alle und der Boi hat sold out Shows. Ich selber hatte immer den Drang kreativ zu sein. Ich bin selber mit sehr unterschiedlichen Genres aufgewachsen. Ich will das nutzen und einfach den Leuten zeigen, das man, wenn man sich selber treu bleibt, keinen Abklatsch machen muss, um es zu schaffen oder Anklang und Respekt von Leuten dafür zu bekommen. Be your fucking self. Aber da kommt noch mehr von mir dieses Jahr. Ich und mein Team ruhen uns nicht aus.

Wie würdest du deine Entwicklung als Künstler in den vergangenen Monaten beschreiben?

Its a process. Ich wachse jeden Tag mit mir selber und meiner Musik. Zurzeit bin ich eher wieder in einer Phase wo ich sehr viel rumspiele mit Sounds. Ich versuche mich selber und meine Themen noch besser auf die Musik zu projizieren. Aber die letzten Monate waren lit. hoffe dass es so bleibt.

Im Rotlicht: Sünden begehen. Den Moment festhalten und feiern Es fühlen. Den Vibe catchen. Thats it. Foto: Checkmate

 

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