Sechs junge Autorinnen und Autoren erinnern sich an Momente aus ihrer Studienzeit. Der Start war nicht immer leicht und die Realität entsprach nicht den Erwartungen. Hier beschreiben die Autoren humorvolle Erinnerungen an das Leben in Wohngemeinschaften und an wilde Zeiten an der Universität.
Katja Beyrodt über: Fancy Kaffee in Salzgitter
Als naive Schulabgängerin (wie ich) hat man vielleicht folgendes Bild vom Studium: Man schlendert zusammen mit den Mitstudierenden durch die Stadt und verbringt die Zeit bis zur nächsten Vorlesung bei einem fancy Kaffee… Salzgitter kannte ich nur aus Verkehrsmeldungen im Radio. So dachte ich, eine Stadt an einem Autobahndreieck müsse für’s Studium die perfekte Größe haben. Denn Autobahndreiecke sind ja immer nach pulsierenden Großstädten benannt, oder?
Am Tag der Immatrikulation machte ich mich freudig aufgeregt auf den Weg, um den Unicampus zu begutachten. Nach einer Weile fragte ich mich, ob Google richtig navigierte: Die Straßen wurden schmaler, bis ich über einen Feldweg in ein Wäldchen fahren sollte…
An diesem Tag lernte ich zwei Dinge: Fancy Kaffee ist 30 Minuten Autofahrt von Calbecht entfernt. Und: Nicht jedes Autobahndreieck ist nach einer Metropole benannt. Aber: Das Studium war den weiten Weg allemal wert. Und wer kann schon behaupten, in den Pausen eine knuffige Kuhherde aus dem Seminarraum beobachtet zu haben?
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Stine Hasenforther über: Stolz und Vorurteil
Zu meiner Studienzeit kann ich eines sagen: Es war nicht immer leicht. Dreieinhalb Jahre, geprägt von pandemiebedingten Online-Seminaren, unbezahlten Praktika – und mehr Aushilfsjobs als Freizeit. Eine Erkenntnis konnte ich aus der Zeit allerdings mitnehmen: Klischees kommen nicht von ungefähr.
Wer sich entscheidet, Soziale Arbeit zu studieren, dem sind die Vorurteile bewusst, die damit assoziiert werden. Möglichst urteilsfrei bin ich daher ins Studium gestartet, bis ich erstmals den Hörsaal betrat und meinen Mitstudierenden begegnete. Der Geruch von Marihuana und mangelnder Körperhygiene lag in der Luft. Ich verschaffte mir einen Überblick über den Haufen privilegierter Weißer mit Dreadlocks, Tattoos und Batik-Shirts, die die Welt retten wollten.
Das gilt natürlich nicht für alle, aber auch nach Abschluss kann ich noch verstehen, warum meine Studienwahl oft belächelt wird. So schön, wie meine Jobs damals waren, mein Studium hat dazu geführt, dass ich darüber nun hier schreibe, statt als Sozialarbeiterin zu arbeiten.
Joschka Büchs über: Studentische Kulinarik in Wohngemeinschaften
Während des Studiums habe ich in einigen WGs gelebt. Dabei hat mich das WG-Leben vor allem kulinarisch geprägt. Da gab es den Mitbewohner, der stolz verkündete, er habe seine Tiefkühlpizza „gepimpt“, nur weil er noch etwas Streukäse und eine Scheibe Discounter-Salami darauf gelegt hatte.
Ein anderer Mitbewohner mit bayrischen Wurzeln war hingegen, was Hausmannskost anging, ein wahrer Küchengott und verwöhnte unsere WG regelmäßig mit perfekt gebratenen Eierpfannkuchen oder handgemachten Semmelknödeln.
Meine Wenigkeit war wiederum bekannt für eine Speise, die bei uns WG-intern nur das „ewige Gericht“ genannt wurde: eine Gnocchi-Pfanne mit Gemüse, absurd viel Käse und Schmand, die wie ein Kloß im Magen lag, aber zu jeder Tages- und Nachtzeit schmeckte und auch sättigte.
Ein ostfriesischer Mitbewohner hat bei mir hingegen die Leidenschaft für’s Teetrinken geweckt. Mit Kluntjes und Friesentee in der WG-Küche – so lässt sich das Lernen gut prokrastinieren. Denn: „Drei Tees sind Ostfriesenrecht.“
Kevin Kulke über: Statistik und Rebellion
Das Studium hatte ich mir als große Selbsterfahrung ausgesucht. Mein Motto war: Widerstand und Anti-Alles. Ich wollte nicht einfach nur stumpf pauken – ich wollte etwas lernen. Schnell war ich politisch aktiv: Jugendverband, Stadtpartei und natürlich Hochschulgruppe. Im Asta habe ich mehr über Politik gelernt, als mir das Studium der Politik- und Verwaltungswissenschaft jemals hätte beibringen können. Und weil ich die Erfahrung abrunden wollte, habe ich am Ende mehr Zeit mit philosophieren, debattieren, rauchen und saufen in der Kneipe verbracht als im Vorlesungssaal. Das hat sich natürlich an anderer Stelle bemerkbar gemacht.
Ein paar Jahre später saß ich im Masterstudium und verfluchte mich selbst: Wenn ich mir im Grundstudium etwas mehr Mühe in der Statistikvorlesung gegeben hätte, ginge mir der Arsch jetzt nicht so heftig auf Grundeis.
Ich will keine Sekunde meines Studiums missen. Nur manchmal würde ich meinem früheren Selbst gerne zurufen: Es ist besser, eine Sache mit ganzem Herzen zu tun, als mehrere Sachen halbherzig.
Celine Wolff über: Das Auto – mein bester Uni-Buddy
Pendeln – das ist das Wort, das mir sofort in den Sinn kommt, wenn ich an mein Studium an der Ostfalia in Salzgitter denke. Zuhause im Peiner Landkreis, habe ich es nicht eingesehen, 29 Kilometer nach Süden zu ziehen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mit meinem Polo namens „Gundula“ immer eine Stunde vor Vorlesungsbeginn loszufahren und zu hoffen, einen Parkplatz zu finden – ich war nämlich nicht die Einzige mit der Idee, zu pendeln. Denn: Gute Verbindungen mit den Öffis? Fehlanzeige.
Das Auto direkt am Campus zu haben, hatte aber dennoch seine Vorteile: So bin ich in den vorlesungsfreien Stunden – hin- und herfahren hätte sich nicht gelohnt – mit meiner besten Uni-Freundin im strömenden Regen zu einer bekannten Fast-Food-Kette gefahren und habe über das Leben philosophiert.
Auch wenn mir diese Zeit keiner mehr nehmen kann, hätte ich gern vorher gewusst, wie anstrengend es ist, jeden Tag aufs Neue um einen Parkplatz kämpfen zu müssen. Daraus gelernt habe ich für mein Berufsleben jedoch nicht: Ich bin dann mal auf Parkplatzsuche…
Anna Richter über: Die Alters-Frage
Einer der ersten Momente meines Studiums in Lüneburg ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Während der Uni-Einführungswoche kam ein älterer Student mit einer Flasche Pfefferminzschnaps rein. „Damit der Einstieg ins Studentenleben gleich richtig gelingt“, sagte er.
Kein guter Zeitpunkt, um zu erwähnen, dass ich noch nicht volljährig war. Dummerweise kam ich um die ständigen Vorstellungsrunden nicht herum: Name, Studiengang, Herkunft und das obligatorische Alter. „Wieso ist das Alter überhaupt relevant?“, ärgerte ich mich. Sobald ich mich dann als 17-Jährige vorstellte, erntete ich komische Blicke. „Sie denken bestimmt, dass ich nicht an die Uni gehöre“, dachte ich.
Natürlich hat es eigentlich niemanden interessiert, ob ich 25, 20 oder eben 17 war. Außerdem haben wir innerhalb der ersten Studienwochen so viele Leute kennengelernt, dass man die Hälfte der Namen sowieso direkt vergessen hat. Und das dazugehörige Alter erst recht.
Trotzdem war ich erleichtert, als ich zwei Monate später endlich volljährig war. So konnte auch ich mich an der Universität wohlfühlen.